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15 September 2017

Das Feuer von Grottaglie

Heute Abend wird wohl nichts laufen mit uns. Chiara würdigt mich keines Blickes.  Aber wenn ich sie hier vor mir sehe, in der Höhlenwerkstatt des Keramikviertels, wie sie die Pinsel auswäscht, staubbedeckt und den Ausschnitt weit geöffnet, kann ich einfach nicht widerstehen. Ich schaffe es nicht, sie anzusehen, ohne sie zu berühren.

Ich möchte ihre Brüste streicheln, so wie ich über den Ton streiche, der auf der Töpferscheibe liegt, bevor ich anfange, ihn zu bearbeiten. Es ist alles eine Frage des Berührens und Empfindens, wenn ich die Konsistenz des Materials mit den Fingerkuppen prüfe und beginne, es zu modellieren. Im Formen der Pumi bin ich ein Meister.

Mein Großvater hat in dieser ehemaligen Mühle meinen Vater gezeugt, und da ich seinen Namen trage, möchte ich ihm nicht nachstehen. So werden auch meine Kinder nach Ton und Tradition riechen, und auch sie werden das Verlangen spüren, Teller und Capase zu gestalten. Denn wir in Grottaglie machen Liebe mit Tonstaub auf der Zunge und Cristallina in den Haaren und auf der schweißnassen Haut. Und alles ist so ursprünglich, als wären wir eins mit unserer Keramik.

Chiara wählt gerade die Pinsel, um die gebrannten Teller mit Blumen zu verzieren. Doch dann merkt sie, dass sie noch viel zu heiß sind: genau wie mein Blut!

Ich gehe zu ihr, um den Duft ihres unbedeckten Nackens zu riechen. (Die Haare hat sie zusammengebunden.) Er strahlt weiß wie die Keramik, die es hier im Überfluss gibt. So sind diese Werkstätten: Auf der einen Seite Teller, Becher, Vasen und Spardosen von makellosem Weiß, auf der anderen Seite gibt es eine bunte Vielfalt an Formen und Farben.

Die Pumi sind handbemalte Glücksbringer, die das Böse verjagen. Deshalb stellten die Leute sie auf die Balkone ihrer Häuser. Ihr Ruhm reicht bis nach Amerika, denn die apulische Keramikkunst ist zur unverwechselbaren Marke geworden.

Hier machen wir sowohl Gebrauchskeramik in den Farben Moosgrün, Manganblau und Ockergelb als auch Keramik mit Ornamenten. Mit weißem Stanniferoverfeinern und schleifen wir die Gefäße und Fliesen, bis ihre Form perfekt ist.

Gerade habe ich die Temperatur des Ofens kontrolliert. (Alles viel einfacher als zu den Zeiten meines Großvaters, der noch auf Holz gebrannt hat.) Hier erhalten die Krüge ihren zweiten Brand, und wenn sie so werden, wie ich mir vorstelle, möchte ich einen in das Castello Episcopio bringen: in unser Keramikmuseum. Oder ich stelle ihn auf der Keramikmesse aus, die wir jedes Jahr im August veranstalten. Hier kennt jeder die Qualität meiner Keramik.

Aber noch dauert es ein wenig, bis die Krüge fertig sind. Zeit genug, um Chiara in den Arm zu nehmen und sie spüren zu lassen, dass ich es mit der Liebe ernst meine: für die Keramik und für unsere Kinder.

 

Einen besonderen Dank an Uwe, Klara unt Anja Knipper für die Übersetzung.